Faust in Berlin

Faust in Berlin02

 

 

Vorbemerkung:

Ein Mann (Fabian) schreibt im 20. Jahrhundert einen Roman über einen Mann (Leonhard Thurneysser), der im 16. Jahrhundert gelebt hat. Warum tut er das?
„Leonhard könnte ich geworden, ich könnte er gewesen sein“, vermutet Fabian, „so ähnlich sind wir uns.“

Wie ähnlich können sich Männer sein, von denen sich der eine als Adept der Transmutation unedlen Metalls in Gold gewidmet, der andere den Rest des zweiten Weltkriegs im Untergrund überlebt hat?

 

 


    Es gibt tatsächlich Ähnlichkeiten, wie Fabian beim Schreiben feststellt. Die sind jedoch nur äußerlicher Natur. Die Ursachen für ihre zwiespältigen Persönlichkeitsstrukturen unterscheiden sich.
    Ein Psychologe würde von Fabian behaupten: „Er leidet an einer manisch-depressiven Störung.“

    Auch Leonhard leidet: Ein in der Jugend erworbenes Minderwertigkeitsgefühl muss er ausgleichen durch imponierendes Auftreten. In seiner Zeit ist das nichts Ungewöhnliches. Aber er übertreibt und verstrickt sich in Lug und Trug.

    Eine ›gebrochene‹ Persönlichkeit findet sich auch im Barden, einem romantischen Sänger zur Laute. Seine ungeschlachten, groben Hände versinnbildlichen sein Gemüt: Empfindlichste Sensibilität neben ungezügelter Gewalttätigkeit.


    Es gibt noch Agnes. Kriegserlebnisse, die Trennung von ihrem Mann, sein Tod und eine Fehlgeburt ließen sie gefühlsmäßig verdorren.

    Auf alle vier Hauptfiguren trifft jedoch eines zu: Das, was das Leben ihnen an Glück zugedacht hat, müssen sie mit Leiden ausgleichen.

    Die ägyptische Göttin Maat spricht es aus: „Wer höchstes Glück will, darf den Schmerz, darf das Leid nicht scheuen. Nur die Selbstzufriedenen plätschern in seichten Gewässern.“

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